Strompolitik

  • Zurückhaltende Regulierung im Strombereich
  • Umfassende Energiegesetzesrevision nach Fukushima
  • Strommarkt im Umbruch

Traditionell war der Staat im 20. Jahrhundert regulatorisch äusserst zurückhaltend im Strom- und Energiebereich. Eine sektorielle Gesetzgebung lieferte nur die nötigsten Rahmenbedingungen während die Privatwirtschaft grundsätzlich für die Energieversorgung zuständig war.

Verschiedene Konflikte zwischen Grundeigentümern und Elektrizitätsgesellschaften während der intensiven Elektrifizierung der Schweiz in den ersten Jahrzehnten des 20. Jahrhunderts sowie Infrastruktur-Unfälle führten zu den ersten Gesetzen im Strombereich: 1902 trat das Elektrizitätsgesetz (Bundesgesetz betreffend die Stark- und Schwachstromanlagen) in Kraft, das die Übertragung von Strom regelte. Aus der intensiven Nutzung der Wasserkraft und damit einhergehenden Konflikten tat zudem ein staatlicher Eingriff im Produktionsbereich Not: 1908 erhielt der Bund die verfassungsmässige Oberaufsicht über die Nutzbarmachung der Wasserkräfte und per 1918 trat das Wasserwirtschaftsgesetz in Kraft. Mit der Einführung der Atomenergie erteilte sich der Bund mit dem Atomgesetz von 1959 eine zurückhaltende polizeirechtliche Aufsichtsrolle, musste jedoch aufgrund des wachsenden Widerstands gegen Atomkraft in der Bevölkerung in den folgenden Jahrzehnten die Gesetzgebung verschärfen. Mit weitreichenderen Befugnissen im Energiebereich nach Annahme des Energieartikels 1990, setzte sich die Bundespolitik kurz vor der Jahrtausendwende unter anderem das Ziel einer Diversifizierung im Strombereich zugunsten umweltfreundlicherer erneuerbarer Energien und führte erste Fördermodelle dafür ein.

Aktuell

Der Strommarkt befindet sich im Umbruch: Seit das EU-Parlament 1997 beschloss schrittweise Wettbewerb im Elektrizitätssektor einzuführen und der Markt seit 2007 auch für alle EU-Haushalte liberalisiert ist, befinden sich die Preise im Sinkflug. Einen ersten Versuch auch den Schweizer Strommarkt, der noch von regionalen Monopolen dominiert wird, mit dem Elektrizitätsmarktgesetz zu öffnen, scheiterte 2002 an der Urne. Im zweiten Anlauf führte der Bund das Stromversorgungsgesetz ein, das in einem zweistufigen Modell zunächst ab 2009 Grossverbrauchern (ab 100 MWh) den freien Marktzugang gewährte. In einem zweiten Schritt sollte die vollständige Marktöffnung folgen, was bisher aus verschiedenen Gründen jedoch immer weiter nach hinten verschoben wurde.

Die Katastrophe von Fukushima am 11. März 2011 brachte eine Kehrtwende der Schweizerischen Energiepolitik mit sich: der Atomausstieg wurde beschlossen und die Energiewende in Angriff genommen. 2017 befürwortete die Stimmbevölkerung das revidierte Energiegesetz, das ein Neubauverbot für AKW und eine verstärkte Förderung von Energieeffizienz und erneuerbarer Energie enthält.

Energie-Geschichte: Am Anfang war das Wasser

Plakatsammlung ZHdK

Die Schweiz befasst sich aktuell intensiv mit der Ausgestaltung der künftigen Energiepolitik. Ein Blick zurück zu deren Anfängen zeigt: Was vor 100 Jahren geschah, ist auch heute noch aktuell, zum Beispiel die Bedeutung der Wasserkraft für die Bergkantone und die Diskussion um die Wasserzinsen.

» E&U-Artikel von Wirtschaftshistorikerin Tina Berg

Meilensteine der Energiepolitik

1902: Elektrizitätsgesetz: Bundesgesetz betreffend die Stark- und Schwachstromanlagen

1908: Bundesbeschluss betreffend die Gesetzgebung des Bundes über die Nutzbarmachung der Wasserkräfte und über die Fortleitung und die Abgabe der elektrischen Energie

1916: Wasserrechtsgesetz: Bundesgesetz über die Nutzbarmachung der Wasserkräfte

1957: Bundesbeschluss über die Ergänzung der Bundesverfassung mit einem Artikel betreffend die Atomenergie und den Strahlenschutz

1959: Atomgesetz: Bundesgesetz über die friedliche Verwendung der Atomenergie

1963: Rohrleitungsgesetz: Bundesgesetz über Rohrleitungsanlagen zur Beförderung flüssiger oder gasförmiger Brenn- oder Treibstoffe

1978: Bundesbeschluss zum Atomgesetz: führt die Rahmenbewilligung als Voraussetzung für den Bau einer Kernanlage ein

1983: Kernenergiehaftpflichtgesetz: regelt die Haftung für Nuklearschäden, die durch Kernanlagen oder durch den Transport von Kernmaterialien verursacht werden, sowie deren Deckung

1990: Bundesbeschluss über den Energieartikel in der Bundesverfassung

1990: Ja zur Volksinitiative ‚Stopp dem Atomkraftwerkbau (Moratorium)’

1991: Strahlenschutzgesetz: bezweckt, Mensch und Umwelt vor Gefährdungen durch ionisierende Strahlen zu schützen

1998: Energiegesetz: sieht unter anderem die verstärkte Nutzung erneuerbarer Energien vor

1999: CO2-Gesetz: Bundesgesetz über die Reduktion der CO2-Emissionen

2003: Kernenergiegesetz: regelt umfassend die friedliche Nutzung der Kernenergie und ersetzt Atomgesetz und Bundesbeschluss

2007: Stromversorgungsgesetz: regelt die Marktöffnung in zwei Schritten

2008: Revision CO2-Gesetz: regelt Lenkungsabgabe auf Brennstoffe

2017: Revision Energiegesetz (Energiestrategie 2050, 1. Massnahmenpaket)