Jahresbericht 2021

Das Jahr 2021 war ein energiepolitisch voll bepacktes Jahr. Im März bewegte der 10. Jahrestag der Fukushima-Katastrophe. Bereits droht dieser tragische Unfall im kollektiven Gedächtnis zu verblassen. Die SES hat mit einer grossangelegten Recherche vor Ort und einer Online-Veranstaltung an dieses traurige Ereignis erinnert.

Bewegt hat auch die Abstimmung zum CO2-Gesetz im Juni. Die SES hat sich mit Herzblut, Expertise und ihrer «Ohni Planet isch doof»-Kampagne für ein Ja eingesetzt. Umso mehr schmerzt die Ablehnung an der Urne. Die Schweiz hat einen wichtigen Meilenstein für mehr Klimaschutz verpasst. Die dadurch entstandene Verzögerung kommt einem klimapolitischen Debakel gleich. Den Kopf hängen zu lassen, ist aber keine Option. Umso wichtiger ist es jetzt, die dadurch verlorene Zeit im Rahmen der nächsten Klimagesetzgebungen aufzuholen. Über drei Viertel der Schweizer Treibhausgasemissionen fallen im Energiesektor an. Effizienzmassnahmen und ein deutlich schnellerer Ausbau der erneuerbaren Energien sind die entscheidenden Hebel, um diese Emissionen herunterzubringen. Deshalb hat die SES 2021 viel Grundlagenarbeit für die Revision des Energiegesetzes geleistet.

Der technologische Ansatz alleine reicht jedoch kaum für das Erreichen der gesteckten Klimaziele. Die SES will deshalb die Suffizienz endlich auf die politische Agenda bringen. Die Energie, die nicht verbraucht wird, ist die günstigste und muss gar nicht erst erzeugt werden.

Bewegung verzeichnete die SES zudem in personeller Hinsicht. Auf Anfang Jahr hat Stiftungsratspräsident Beat Jans aufgrund seiner Wahl zum Regierungspräsidenten des Kantons Basel-Stadt das Zepter an die Berner Nationalrätin und Energiepolitikerin Nadine Masshardt übergeben. Die Geschäftsstelle und der Stiftungsrat freuen sich sehr, in den nächsten Jahren mit Nadine Masshardt an der Spitze die Energiepolitik zu bewegen.

 

SES-Highlights 2021

Februar. Eine von Swissolar und der SES publizierte ZHAW-Studie identifiziert rechtliche Hürden für den Ausbau der Photovoltaik ausserhalb von Siedlungen. Rechtsexpert:innen beleuchten drei raumplanerische Bereiche – Lärmschutzwände, Bauten in der Landwirtschaftszone sowie den alpinen Raum – und zeigen auf, welche Zielkonflikte gelöst werden müssen, damit die Photovoltaik ihren Beitrag für den Klimaschutz vollumfänglich leisten kann. 

März. Am 11. März 2021 jährt sich der Super-GAU von Fukushima zum 10. Mal. Zu diesem Anlass schickt die SES die ETHDoktorandin Bessie Noll nach Japan, damit sie aus erster Hand über die Situation vor Ort berichtet. Ihre eindrücklichen Schilderungen werden an der Online-Veranstaltung «10 Jahre Fukushima» präsentiert, umrahmt von Referaten der ehemaligen Energieministerin Doris Leuthard, des japanischen Nuklearwissenschaftlers und erneuerbare Energien-Spezialisten Tetsunari Iida sowie einer Podiumsdiskussion mit Professor Horst-Michael Prasser von der ETH Zürich und Christian von Hirschhausen von der TU Berlin. Mehr als 140 Zuschauer:innen verfolgen den Livestream direkt. Auf dem YouTube-Kanal der SES verzeichnet die Veranstaltung seither über 1'100 Views. Bessie Nolls Fukushima-Reportage erscheint zudem im SES-Magazin «Energie&Umwelt» und online auf reportagen.energiestiftung.ch.

April. Die SES ruft 2021 den Energie-Unabhängigkeitstag der Schweiz ins Leben. Dieser markiert den Zeitpunkt, bis zu dem die Schweiz die im Inland produzierte Energiemenge aufgebraucht hat. Ab dem 5. April 2021 lebt die Schweiz quasi auf Pump und ist in der Bilanz bis zum Jahresende auf Energieimporte aus dem Ausland angewiesen. Mit diesem symbolischen Unabhängigkeitstag will die SES aufzeigen, dass die Auslandabhängigkeit durch einheimisch produzierte erneuerbare Energien verringert werden kann. Der Energie-Unabhängigkeitstag soll dank einheimischer, erneuerbarer Energieproduktion künftig immer später im Jahr stattfinden .

Dass die Schweizer Bevölkerung auf die Energiewende drängt, bestätigt eine gfs-Umfrage im Auftrag der SES: 96 (!) Prozent der Befragten befürworten das Ziel, den Strombedarf künftig mit erneuerbaren Energien zu decken. 89,5 Prozent sind der Meinung, die erneuerbaren Energien sollen im Inland produziert werden. «Die Umfrage zeigt, dass die Bevölkerung die Energiewende rasch will und auch bereit ist, dafür einen Mehrpreis zu bezahlen», erklärt Felix Nipkow, Co-Leiter Fachbereich Klima und erneuerbare Energien bei der SES, und verweist auf die anstehende Revision des nationalen Energiegesetzes. «Dieses Signal sollten die Politikerinnen und Politiker ernst nehmen.»

Juni. Das CO2-Gesetz wird im Rahmen der Referendumsabstimmung vom 13. Juni abgelehnt. Das ist eine herbe Enttäuschung und die damit entstandene Verzögerung ein Debakel für die Klimapolitik. Die SES hat das Pro-Komitee finanziell unterstützt und im Vorfeld der Abstimmung mit Medienarbeit, einer Sonderausgabe des SES-Magazins «Energie&Umwelt» und einer eigenen Mobilisierungskampagne für ein Ja gekämpft. Nun richtet sie den Fokus auf die nächste relevante Klimagesetzgebung, namentlich die anstehende Revision des Energiegesetzes.

Wie schleppend die Energiewende in der Schweiz vorankommt, verdeutlicht einmal mehr das jährlich erscheinende Länderranking zum Ausbau von Wind- und Sonnenenergie. Die Schweiz liegt im europäischen Vergleich nach wie vor auf den hintersten Rängen und droht den Anschluss zu verpassen, auch wenn im Bereich der PV-Produktion eine Verbesserung im Vergleich zu den Vorjahren stattgefunden hat. Den Grund verortet die SES in nach wie vor unzureichenden Förderinstrumenten sowie in Ausbauzielen, die für das Erreichen von Netto Null zu wenig ambitioniert sind.

Juli. Die Analyse der Stromproduktion der vier grössten Stromversorger der Schweiz
zeigt: Der Strommix von Axpo, Alpiq, BKW und Repower ist deutlich klima- und umweltschädlicher als der Schweizer Produktionsmix. Dies das Resultat der SESStudie
«Strommix 2020». Die Unternehmen haben ihre Klimabilanz im Vergleich zu den Vorjahren leicht verbessert, aber in erster Linie, weil die Beteiligungen an ausländischen Kohlekraftwerken weniger geworden sind. Ihre Investitionen in erneuerbare Energien sind zwar auch leicht gestiegen, jedoch vor allem im Ausland.

September. Nachdem die Jahresversammlung der SES aufgrund der Corona-Pandemie mehrmals verschoben werden musste, findet sie am 30. September 2021 endlich statt. Im Kosmos Zürich gibt die SES ihren Fördermitgliedern Einblick in ihre Aktivitäten und die Jahresrechnung und stellt sich im Anschluss den Fragen. Im öffentlichen Teil der Veranstaltung wird das Thema Suffizienz diskutiert. Exponent:innen von Massfabrik, dem Onlinemagazin «Das Lamm», WWF Schweiz und von Klimastreik Zürich stellen ihre konkreten Suffizienz-Ideen vor. Im Anschluss diskutieren die Podiumsgäste Corinne Moser (econcept), Franziska Barmettler (IKEA, GLP ZH) und der Journalist und Gletscher-Initiative-Initiant Marcel Hänggi den Gehalt der Vorschläge.

Eine raschere Gangart bei der Energiewende ist dringend nötig. Und sie lohnt sich – nicht nur fürs Klima, sondern auch für die Volkswirtschaft, wie eine ZHAW-Studie im Auftrag der SES belegt. Speziell Gewerbezweige, die in den Bereichen Gebäudesanierung und Heizungsersatz tätig sind, aber auch Wind- und Photovoltaikanlagebauer:innen generieren mehr Wertschöpfung und bis zu 87'000 neue Arbeitsplätze.

Oktober. Der Atomlobby-Verband Swissnuclear präsentiert mit der Kostenstudie 2021 die Kostenprognosen für den Rückbau und die Entsorgung der Schweizer Atomkraftwerke. Eine erste Analyse der SES zeigt: Insbesondere bei den Entsorgungskosten werden massgebliche Kostenrisiken auf die Allgemeinheit und künftige Generationen abgewälzt. Die SES fordert die für die Überprüfung zuständige Stenfo-Verwaltungskommission auf zu korrigieren.

Die direkte Beteiligung von Bürger:innen an erneuerbaren Energie-Projekten ist ein massgeblicher Erfolgsfaktor für das Gelingen der Energiewende. Die SES veröffentlicht eine Studie von Dr. Benjamin Schmid, welche Erfahrungswerte aus europäischen Nachbarländern zusammenträgt, und leitet Empfehlungen für die Schweiz ab. Diese Vorschläge sollen in die Debatte zum neuen Energiegesetz einfliessen. 

November. Die fehlende AKW-Sicherheit ist und bleibt ein Dauerbrenner. Selbst das jüngste Schweizer AKW in Leibstadt weist in der periodischen Sicherheitsüberprüfung von 2016 diverse Defizite auf, die weder die Betreiberin Axpo noch die Atomaufsicht ENSI beheben wollen. Das zeigt die Analyse des Reaktorsicherheitsexperten Prof. Dr. Manfred Mertins von der TH Brandenburg im Auftrag der SES. Sein Fazit: Das Sicherheitsniveau der Anlage wird dem aktuellen Stand von Wissenschaft und Technik nicht gerecht. Für einen sicheren längerfristigen Betrieb müsste weit mehr unternommen werden, als das Kernenergiegesetz und das ENSI verlangen.

Dezember. Das Bundesamt für Energie publiziert den Abschlussbericht zu den Energieperspektiven 2050+, bei deren Erarbeitung die SES mitvertreten war. Die Umweltallianz - darunter auch die SES - begrüsst, dass erstmals überhaupt ein Klimaszenario «Netto Null» modelliert worden ist. Dieses Modell zeigt auf, dass der Umbau der Schweizer Energieversorgung und das Erreichen des Netto-Null-Ziels technisch möglich und auch finanzierbar sind. Aus Sicht der Umweltverbände müssen die angestrebten Treibhausgasreduktionen jedoch viel schneller erreicht werden, als es die Szenarien vorsehen. Die grössten Potenziale zur Eindämmung der Klimakrise liegen in der Reduktion des Energieverbrauchs und im Ausbau der Photovoltaik. Dieser Ausbau soll möglichst im Einklang mit dem Schutz der Biodiversität erfolgen. Ein wichtiges Signal auch von Seiten der grossen Umweltverbände.

Das ganze Jahr. Wir sitzen mit der Bundesverwaltung, mit der Energiewirtschaft und mit Politiker:innen zusammen. Wir besuchen Schulen, Vereine und Gemeinden und bestreiten Podien. Wir geben Interviews, versorgen Journalist:innen mit Hintergrundwissen, lobbyieren beim Bund und den Kantonen. Immer mit der Botschaft und der Überzeugung, dass die Zukunft den erneuerbaren Energien gehört.

Wir danken allen ganz herzlich, welche die SES auch in diesem Jahr in irgendeiner Form unterstützt haben.

 

Nils Epprecht

Nils Epprecht
Geschäftsleiter

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Twitter: @nepprecht

Jahresbericht inkl. Jahresrechnung 2021 (pdf)